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Einleitung



Der Mythos von Narziss. Die Sage von einem eitlen, egozentrischen, selbstverliebten Knaben, der durch seine Hybris andere zugrunde gerichtet hat und der dafür mit dem Tode gebüßt hat? Oder ist er nur ein selbstbewußter Junge, der ein Opfer seines sozialen Umfelds wird, das ihm sein eigenes, wahres Selbst nicht zugesteht, und der deshalb ge-storben ist? Was sind die Motive von Ovid für diese Metamorphose?

Alle diese Fragen werde ich versuchen im Verlauf dieser Arbeit zu bearbeiten und zu beantworten, wobei gleich vorneweg gesagt sei, dass dies nicht immer ganz eindeutig und absolut möglich ist. Denn auch diese Medaille hat zwei Seiten und jeder muss für sich entscheiden, welche für ihn in seiner Situation die 'richtigere' ist.

In der Psychologie hat der Narzissmus heftige Diskussionen und Streitigkeiten ausge-löst. Als einer der ersten hat Sigmund Freud sich dieses Themas angenommen und eine Art 'Tätertheorie' aufgestellt, nach der Egozentrik und Selbstliebe schon im Wesen ei-nes Menschen festgelegt sind.

Im Gegensatz dazu hat Alice Miller eine Art 'Opfertheorie' entwickelt, die besagt, dass Menschen die an Unterdrückung ihres wahren Selbst durch ihr Umfeld gelitten haben, psychische und psychosomatische Schäden zeigen.

Zur Beantwortung der Fragen werde ich zwei Interpretationen anfertigen, die von verschiedenen Ansätzen ausgehen. Denn man kann die Lösungen zu den Fragen nur finden, wenn man beide Seiten der Medaille kennt.

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