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Narzissmus in der Psychologie

  1. Sigmund Freud
  2. Alice Miller

Sigmund Freud [top] [nächster Abschnitt]

Nach solch einer oder einer ähnlichen Interpretation hat vielleicht Sigmund Freud seine Theorie vom primären und sekundären Narzissmus innerhalb der Triebtheorie entwickelt.

Der Begriff 'Narzissmus' bezeichnet den Vorgang oder Zustand, bei welchem das eigene Ich mit Libido besetzt wird und damit gleichsam zum Sexualobjekt wird.
Der primäre Narzissmus ist die Art der Libido-Organisation der prägenitalen Phase, bei welcher das Ich das alleinige Objekt der Libido darstellt.
Der sekundäre Narzissmus hingegen ist eine regressive Wiederbesetzung des eigenen Ich mit Libido nach einer Zurücknahme der Libido von den Objekten der Außenwelt.

"Mittels der "Triebtheorie" hat er die Verantwortung für die Verletzung [/die Störung] am Opfer selbst, nämlich am Kind, festgemacht." Man kann also sagen, dass er eine Art 'Tätertheorie' erstellt hat.

Alice Miller [top] [vorheriger Abschnitt]

Entgegen dieser Theorie von Freud hat sich Alice Miller als Anwältin auf die Seite der tatsächlichen Opfer, nämlich der Kinder, gestellt. Dafür hat sie von ihren Kollegen so viel Druck bekommen, dass sie schließlich 1988 aus der internationalen psychologischen Vereinigung ausgetreten ist.

Ihr Thema ist, dass Menschen, die in ihrer Kindheit durch ihr soziales Umfeld unter-drückt worden sind, die narzisstische Störung davon tragen, die sich in unsympathischen Eigenschaften äußern kann.

"Jedes Kind hat das legitime narzißtische Bedürfnis, von der Mutter gesehen, verstan-den, ernstgenommen und respektiert zu werden. Es ist darauf angewiesen, in den ersten Lebenswochen und Monaten über die Mutter verfügen zu können, sie zu gebrauchen, von ihr gespiegelt zu werden." Nur so kann sich im heranwachsenden Kind das wahre Selbst entwickeln. Wenn aber die Mutter auch schon narzisstisch gestört ist, - vielleicht, weil sie nicht in solch einer Atmosphäre aufgewachsen ist - kann sie die Spiegelfunkti-on für ihr Kind nicht erfüllen, sondern sie wird sogar, "völlig unbewußt und entgegen ihrem guten Willen, mit Hilfe ihres Kindes ihre eigenen narzißtischen Bedürfnisse zu befriedigen suchen". Das Kind bekommt aber auf diese Weise die Erwartungen und Bedürfnisse der Mutter introjiziert und kann, da es von der Mutter abhängig ist und ihre Liebe nicht verlieren will, sein wahres Selbst nicht entwickeln und differenzieren. So kommt zur Entwicklung einer 'Als-Ob-Persönlichkeit', dem falschen Selbst. Die wirkli-chen Gefühle werden nicht in die sich bildende Persönlichkeit integriert, sondern abgespalten.

Diese Persönlichkeit wird in ihrem ganzen Leben den bei der Mutter nicht gefunden Spiegel zu suchen. Das äußert sich in Form von Grandiosität oder Depression. Dabei "ist die Grandiosität die Abwehr gegen die Depression und die Depression die Abwehr des tiefen Schmerzes über den Selbstverlust."

Alice Miller hat also narzisstische Persönlichkeiten eher als Opfer gesehen, die außerdem nicht selbstverliebt sind, sondern die die Bewunderung und Anerkennung ihres falschen Selbst zum überleben brauchen.

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